Schneelastiger Liebeskummer auf 208 Seiten

1 Buch in 3 Zitaten

Mit humorvollen Wortneuschöpfungen, mutigen Leerstellen und dem Verzicht auf detailreiches Übererzählen gelingt Susan Keller ein sprachlich und inhaltlich herausragender Roman. Zu recht erhielt sie für ihre schneelastige Liebeskummer-Geschichte Schneeriese 2015 den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie Jugendbuch. Große Literatur der keine Altersklasse entwächst …

Stella Maraun hätte aus Uruguay anrufen können oder von einem neuerdings bewohnten Planeten, sie hätte sich von jedem beliebigen Flecken Erde oder Weltall bei ihm melden können, vollkommen gleich, Adrian wäre losgerannt, hätte im Gehen eine Jacke vom Haken gerissen, wäre sich mit der Rechten einmal wild durchs Haar gefahren, um dann ins nächstbeste Flugzeug oder Raumschiff zu springen und in weniger als fünf Minuten bei Stelle zu sein.

Und Adrian sah den Maßgeschneiderten in Stellas Augen, wurde schwer wie eine Schüssel Chinkali und kippte neben Stella auf den leichenblassen Grund, Schneeriese, sagte er müde, und auch er blieb liegen, mit unbewegten Armen, für immer flügellos.

Adrian zitterte und brannte kalt, und alles an ihm war Zähneklappern und Nichtmehraufstehen, aber leben, das wollte er, nur nicht mehr wachsen, nur nicht mehr er selber sein, nur noch schlottern und frieren und nicht mehr wachsen, und warten, darum ging es ja, warten wollte er, auf Stelle wartete er, Stella Maraun, weil er endlich reden wollte in dieser stillen Nacht, die nicht heilig war und noch lange nicht vorbei.

Susan Keller: Schneeriese
Gestaltung: formlabor
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Carlsen Verlag, Hamburg 2016 [2014], 208 Seiten, 6,99 €
ISBN 978-3-551-31564-9